Kolumne
Gastbeitrag von Alexander Bartsch, SALytic Invest AG
Die Wohnimmobilienbranche befindet sich in einer Konsolidierungsphase. Nach den kräftigen Kursrückschlägen von Anfang 2022 bis ins Frühjahr 2023 und der bis zum Herbst 2024 andauernden Erholung pendeln Vonovia, LEG, TAG Immobilien und Co. im laufenden Jahr um die Nulllinie. Aktuell notieren die Aktien der deutschen Wohnungsbestandhalter mit signifikanten Abschlägen zum Nettovermögenswert von zum Teil deutlich über 30%, was langfristig orientierten Anlegern interessante Einstiegschancen bietet.
Langfristzinsen als Störfaktor
Die Entwicklung der langfristigen Zinsen bleibt ein maßgeblicher Einflussfaktor für den Wohnimmobiliensektor. Die häufig als Referenzgröße gewählten zehnjährigen Kapitalmarktzinsen sind im Jahresverlauf spürbar angezogen. Hauptgründe hierfür waren Trumps Zollpolitik sowie seine Angriffe auf die Souveränität der US-Notenbank Fed. Aber auch die höheren staatlichen Haushaltsdefizite u.a. in Deutschland haben zum Zinsanstieg am langen Ende beigetragen. Somit wurde ein guter Teil der positiven Effekte der in mehreren Schritten deutlich gesenkten Leitzinsen aufgezehrt. Zudem konnte sich der Transaktionsmarkt nach den starken Rückgängen der vergangenen beiden Jahre noch nicht in erhofftem Maße erholen.
Struktureller Nachfrageüberhang
Die Nachfrage nach Wohnraum vor allem in deutschen Ballungszentren bleibt unverändert hoch. Seit Jahren ist die Bautätigkeit deutlich hinter dem von der deutschen Bundesregierung formulierten Ziel von 400.000 Wohneinheiten pro Jahr zurückgeblieben. Die sich weiter vergrößernde Angebotslücke ermöglicht den Bestandhaltern im laufenden Jahr eine Erhöhung der Mieteinnahmen von rund 4%. Aber auch in anderen Subsektoren der Wohnungswirtschaft bietet sich Potenzial für ein attraktives organisches Wachstum. So profitieren Bestandhalter von Alten- und Pflegeheimen von einer im Zuge der demografischen Entwicklung alternden Bevölkerung. Der ebenfalls langfristig wachsende Bedarf an Studentenunterkünften wird zusätzlich getrieben durch Trumps Abschottungspolitik, aufgrund derer viele internationale Studenten statt in die USA in europäische Länder, vor allem nach UK, ausweichen.
Ausblick
Nach den harten Jahren 2022 und 2023 befindet sich die Wohnimmobilienbranche auf einem graduellen Erholungskurs. Dies zeigt sich auch in den im ersten Halbjahr wieder leicht positiv ausgefallenen Neubewertungen der Immobilienportfolios der Bestandhalter. Aufgrund des unsicheren Zinsumfelds sind zwischenzeitliche Rückschläge jedoch nicht auszuschließen. Insofern empfiehlt es sich, bei der Auswahl von Wohnimmobilientiteln auf eine solide Bilanzstruktur und eine langfristig aufgestellte Refinanzierungsstrategie zu achten. Daneben kann durch eine gezielte Diversifikation das Risiko durch regulatorische Eingriffe, wie etwa Mietpreisbremsen oder verschärfte Anforderungen an die energetische Sanierung von Gebäuden, gesenkt werden. Langfristig bleiben Wohnimmobilien ein attraktives Anlagesegment mit leicht steigenden Cashflows und defensivem Charakter.
Alexander Bartsch ist seit 2020 Portfoliomanager sowie Kundenbetreuer bei der SALytic Invest AG, einem unabhängigen Vermögensverwalter mit Sitz in Köln. Er verantwortet den Fonds SALytic Wohnimmobilien Europa Plus (WKN: A2QND3) und trägt Mitverantwortung für die Themen Nachhaltigkeit, Digitalisierung und Marketing. In seiner mehr als 20-jährigen Karriere war Bartsch zudem Mitglied des Senior Management bei der Bank Vontobel Europe AG sowie Investmentberater Private Banking bei der Deutsche Bank AG.